Berücksichtigung der schriftlichen Einlassung am Unfallort

Das Gericht kann die in einer am Unfallort abgegebenen Einlassung enthaltene Tatsachen zum Unfall der Entscheidung zugrunde legen, wenn der Erklärende nicht die Unrichtigkeit seiner Erklärung nachweisen kann.

 

Diesem Urteil des OLG lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Die Klägerin ist Eigentümerin des am Unfall beteiligten LKW. Der Fahrer befuhr am Unfalltag mit dem LKW eine Ortsverbindungsstraße. Er wollte in eine Abfahrt einfahren, welche auf die gegenüberliegende Fahrbahnhälfte einmündet. Während des Abbiegevorgangs wurde er von dem von hinten kommenden PKW des Beklagten zu 1 überholt. Es kam zu einem Zusammenstoß des Beklagtenfahrzeugs mit der vorderen linken Seite des LKW.

 

Der Beklagte fertigte am Unfalltag einen handschriftlichen Unfallbericht, der dem Gericht vorliegt.

In erster Instanz hatte die Klage nur teilweise Erfolg. Das Gericht nahm eine Haftungsquote von 50/50 an.

 

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg, zumindest die Haftungsquote betreffend. Nach dem OLG entspricht der jeweilige Verursacherbetrag einer Haftungsquote von 15% zu 85% zu Lasten des Beklagten.

 

Auf Seiten des Beklagten ist ein erheblicher Verstoß gegen §5 III Nr. 1 StVO gegeben, da er trotz unklarer Verkehrslage überholte. Dies steht für das Gericht aufgrund der Örtlichkeit und den Feststellungen des Sachverhalts fest.

 

Daneben betonte das OLG, dass im Rahmen der Beweiswürdigung der am Unfalltag von dem Beklagten erstellte und von ihm und der Beifahrerin unterschriebene Unfallbericht, wonach der LKW der linke Fahrtrichtungsanzeiger geblinkt habe, herangezogen werden darf.

Einem schriftlichen Unfallbericht und somit einer Einlassung am Unfallort kommt als nicht rechtsgeschäftliches Anerkenntnis im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung zu. Bestreitet der Erklärende später die Einlassung, muss er plausibel machen, wieso er am Unfalltag falsche Angaben gemacht hat. Dies wird umso schwieriger, je detaillierter die Angaben waren.  Zu berücksichtigen ist hierbei ebenfalls, ob das Anerkenntnis zu einer Beeinträchtigung der Beweismöglichkeit des Gegners geführt hat, zum Beispiel weil dieser im Vertrauen darauf verzichtet hat, die Polizei zuzuziehen.

 

Im vorliegenden Fall enthielt der Unfallbericht detaillierte Angaben dazu, dass der Beklagte den Blinker aufgrund der Sonneneinstrahlung erst spät wahrnehmen konnte. Daneben deckte sich der Bericht mit den Angaben des Fahrers, der zudem erklärte, nur wegen des Anerkenntnisses auf die Hinzuziehung der Polizei verzichtet zu haben. 

 

Auf Seiten des Klägers war lediglich die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die sich in der Quote 15% niedergeschlagen hatte.

 

Ein schriftliches Schuldanerkenntnis am Unfallort, welches lediglich enthält, dass der Unterschreiber am Unfall „alleine schuld sei“ reicht nicht aus, um die Schuld positiv festzustellen. Es hat jedoch Bedeutung auf Ebene der Beweiswürdigung.

 

OLG München, Endurteil vom 01.06.2022 – 10U 7382/21e= BeckRS 2022,12498; NJW Spezial 14/22 S. 425